Mühsam ernährt sich der Otter!

Nach den ersten beiden Tagen ambulanter Reha jetzt Wochenende zu Hause.

Drei Wochen nichts im Haushalt tun können macht sich deutlich bemerkbar. Wenigstens das Allernotwendigste an putzen, waschen, etc. erledigt. Zusammen mit dem Göttergatten. Wenn ich ihn nicht hätte!

Dem durch die Krankheit generierten Papierkram fühle ich mich immer noch nicht gewachsen.

Und gesundheitlich? Ich bin ein bisschen kräftiger als direkt aus der Klinik, aber noch sehr schwach und eingeschränkt. Der Wundschmerz ist durch die Reha sogar eher stärker geworden – oder es scheint nur so, da ich keine Schmerzmittel mehr bekomme.

Ach ja: Die Medikation! Wurde die vergangene Woche täglich umgestellt und treibt mich in den Wahnsinn! Zumal am Freitag Morgen der Marcumar-Spiegel viel zu niedrig war: „Hier, acht Heparin-Spritzen. Rammen Sie sich die doch bitte übers Wochenende zwei Mal täglich selbst in den Wanst!“ Wieviel Überwindung das jedes Mal kostet! Ja, ich bin bei sowas kein Held…

Aber wir waren heute mehrmals draußen in der Stadt. Großes Fresspaket bei der Post abgeholt, von meinem Bruder und seiner Lebensgefährtin. Nervennahrung, die ich normalerweise eher vermeide, jetzt aber dringend brauche!

Dann ist da noch der ganz große schwarze Elefant im Raum. Ich versuche, seine Anwesenheit zu leugnen, bis abzusehen ist, wie sich mein körperlicher Zustand entwickelt…

Gedanken beim Verspeisen einer TK-Pizza

Vor Wochen schon habe ich «chez REWÉ» eine TK-Pizza mit Bud Spencer und Terrence Hill auf der Verpackung gesehen, und heute habe ich (als Seltenst-TK-Pizza-Esser) tatsächlich eine gekauft. Nach weit über einem Jahr Arbeit von zu Hause aus fällt ja selbst dem Hobbykoch irgendwann nichts mehr ein, und heute fehlte einfach die Lust, selbst zu kochen.

Bud Spencer und Terrence Hill. Als Jugendlicher in den frühen 80er Jahren waren deren Spaghetti-Western immer ein Highlight im öffentlich-rechtlichen Fersehprogramm. Auch für mich als ungeouteter, verklemmter, schwuler Jugendlicher. Warum?

Bestimmt nicht wegen der Slapstick-Hau-Druff!-Szenen. Ich war damals genauso friedfertig und konfliktscheu wie ich es auch heute noch bin. Auch nicht wegen der Darsteller an sich: Zwar war mir das Nilpferd immer sympathischer als das Krokodil, aber erotische Fantasien lösten beide bestimmt nicht bei mir aus.

Nein – und jetzt mag ich mich vielleicht falsch erinnern: Diese Filme waren mehr oder weniger die einzigen Filme, in denen es nicht vorrangig um die „Eroberung“ von Frauen ging. Überhaupt spielten – meiner Erinnerung nach – Frauen als begehrenswerte Objekte in den Filmen überhaupt keine Rolle. Eben so wie in meinem eigenen Leben.

Könnt ihr das nachvollziehen?

Old Cheese

Wenn länger man auf dieser Erde wallt,
Kommt man zur Einsicht: „Ja, ich werde alt!“

Mit viel Sympathie habe ich in den vergangenen Jahren die Comics von Ralf König verfolgt, in denen es ums alt werden geht, insbesondere sein in die Jahre gekommenes „Traumpaar“ Konrad und Paul. Das ist alles so fein beobachtet und so liebevoll beschrieben! Zumal ich selbst ja sehr vieles von Paul, dem dauergeilen Schwerenöter, aber auch von Konrad in mir habe.

Die Lieblingslederhosen, die nicht mehr passen, die Leute, die sich auf den Dating-Plattformen plötzlich (nicht mehr) für dich interessieren, der katastrophale Niedergang der „Szene“… Ja, bestimmt war früher nicht alles besser, aber auf alle Fälle geiler! Und mehr!

Die neueste Anschaffung für meinen Playroom – wie selten kommt das überhaupt noch vor? – ist ein Zeugnis dieses Alterns, und ließ mich im Nachhinein grinsen:

Ein schwarzes Kissen mit Kunstleder-Bezug!

Mann will es inzwischen auch beim Sex bequem haben!

 

 

Der Märchenprinz

Auf den einschlägigen Gay Dating-Portalen tummeln sich allerlei seltsame Menschen, und nicht jedes Profilbild ist echt. Ein fremdes Bild ist schnell aus dem Internet runterkopiert und ins Fake-Profil als eigenes Konterfei eingestellt. Trotzdem gibt es Begebenheiten, die einen zum Nachdenken, Schmunzeln und Kopfschütteln bringen.

So hat mich vor einigen Wochen auf den „Gelben Seiten“ ein Typ von „weit weg“ angetickert und unverbindlichst gebaggert. Hübsches Profilbild – zu hübsch, um echt zu sein. Ich habe es auch nicht ernst genommen, und der Chat schlief ein. Allerdings fand ich schon seltsam, das im Profilnamen das Wort „prince“ benutzt wurde. Da dachte ich: Googleste halt mal nach Bildern von den Arabischen Prinzen und so. Und siehe da: Ich fand tatsächlich das Gesicht! Da hatte er es also kopiert! Aber der Chat war längst eingeschlafen und abgebrochen.

Gestern Abend werde ich aber wieder mit dem selben Gesichtsbild im Profil, aber einem anderen Chatnamen (die Gelben Seiten sind ja für Wegwerfprofile wie gemacht…) angechattet. Ich denke: Ja, ja! Der wieder! Und als er nicht locker lässt, „sage“ ich ihm ins Gesicht, dass er da wohl ein Bild eines arabischen Prinzen kopiert habe. Worauf er säuerlich reagierte, aber aus unerwartetem Grund: Nein, er sei kein <x>-Prinz, sondern tatsächlich der Kronprinz von <y>. Er könne verstehen, dass ich das nicht glaube, aber ich könne mich gerne in einem Videochat davon überzeugen, dass er es sei …

Im Nachhinein denke ich, ich hätte mich darauf einlassen sollen. Aber was soll ich dem neben mir auf dem Sofa sitzenden Göttergatten sagen? „He, ich bin mal eben kurz im Videochat mit dem Prinzen von <y>…“?

Jedenfalls meinte er noch, er würde demnächst Deutschland besuchen, und suche für die Zeit einen Begleiter, dem er vertrauen könne. Jaja… Und der Chat versandete daraufhin wieder.

Danach habe ich aber noch ein bisschen recherchiert, und tatsächlich von den angeblichen „drug and sadomasochistic sex parties with male prostitutes“ des Thronfolgers gelesen, einschließlich von Screenshots aus den Gelben Seiten… Die Wahrscheinlichkeit, dass er das tatächlich war, steigt somit ein Weniges über null Prozent. Wenn auch nicht viel!

Trotzdem, eine nette Geschichte, um sie mal meinen nicht vorhandenen Enkelkindern zu erzählen …

„Kinder, habe ich euch eigentlich schon mal erzählt wie der Kronprinz von <y> mich im Internet angechattet hat, und ein Date mit mir wollte?“

„Jaja, Opa!“ *Augen verdreh*

 

Weapons of Ass Destruction?

Im Rahmen des Projektes „Dokumentation des körperlichen Verfalls“ habe ich letzte Woche abends beschlossen, ein paar Fotos mit den neuen Chaps zu machen. Also habe ich mich in Schale, respektive Kuhhaut, geworfen, den Rollcontainer an die Tür gerollt, das Smartphone drauf fixiert, den Bauch eingezogen, und ein paar Selbstauslöserselfies gemacht. Damit die Flossen nicht gar so nutzlos runter hingen, dachte ich, ich muss irgendwas in die Hand nehmen, und griff zum Tonfa

Mit etwas Nachbearbeitung (wo ist der „Muffin Top Reduction Filter“, wenn man ihn braucht?!) fand ich dann zwei der Bilder ganz gelungen, und versuchte, sie unter anderem auch in mein Grindr-Profil hochzuladen. Dort wurde das Tonfa-Bild abgelehnt, mit der Begründung: „weapon / violence“ …

Out am Arbeitsplatz — Ein ewiger Eiertanz

Über das Thema „Out am Arbeitsplatz“ habe ich schon öfter geblogt. Nun, mit Mitte 50 – ein Alter, in dem der Schwabe entweder schon weise geworden ist, oder den Gedanken an Erleuchtung längst aufgegeben hat, möchte ich an die verschiedenen Stationen zurückdenken, und mir ein paar entscheidende Ereignisse nochmals vor Augen führen.

Mein spätes Coming Out

Mein Coming-out hatte ich spät – mit 27. Wenn ich es bedenke: Aus jetziger Sicht ist das mein halbes Leben her! Dafür umso heftiger und auch öffentlicher. Was noch erstaunlicher ist, wenn man weiß, wie extrem introvertiert ich bin. Aber was sich so lange aufstaut, muss dann wohl irgendwann mit Macht raus.

Ich war an der Uni in Trier, schrieb an meiner Doktorarbeit, was mit sich den Luxus brachte, keine festen Termine zu haben, und mich auch mal eine Woche lang nur mit mir selbst beschäftigen zu können.

Aber diese Zeit ging 1996 zu Ende, und es sollte mit der ersten Arbeitsstelle einmal mehr der Ernst des Lebens  beginnen.

Coming-Out am ersten Arbeitsplatz

Meine erste Anstellung führte mich 1996 von der Mosel an den Rhein – ins schöne, gemütliche Bonn. Bei einem Software-Lokalisierer sollte ich für die Einführung maschinengestützter Übersetzungs-Software verantwortlich sein. Ich teilte das Büro mit dem etwas jüngeren Terminologen, und natürlich gingen wir in der ersten Woche auch zusammen in die Kantine.

Es muss bereits am zweiten oder dritten Tag gewesen sein, als er mich beim Essen fragte, da ich ja nun aus Trier nach Bonn gezogen sei, ob ich in Trier eine Freundin hätte… Ich hatte die Zeit, die ich zum Kauen und Runterschlucken benötigte zur Verfügung, um eine fundamentale Entscheidung zu treffen:

Outen oder zurück in den Kleiderschrank?

Meine Antwort war: „Um genau zu sein: einen Freund!“ Und damit war das Thema gegessen. Seltsamerweise! Denn es wurde viel und gerne getratscht, in dieser Firma. Ein halbes Jahr später fuhr ich mit einer Kollegin zu einer Projektbesprechung nach Brüssel, und sie war eher eine von der neugierigen Sorte, und bohrte auch bald in die Richtung. Natürlich outete ich mich, und fortan war das unser offenes Geheimnis. Wir verstanden uns gut, und klebten deshalb während der Arbeit oft zusammen, trafen uns auch mal außerhalb. Was zur komischen Folge hatte, dass in der Kaffeeküche getratscht wurde Anja und ich hätten was miteinander! Und wir bekamen es natürlich mit, und machten uns fortan einen Spaß daraus, die KollegInnen in die Irre zu führen!

Bis dann im heißen Sommer einige Leute beschlossen, in der Mittagspause ins Schwimmbad zu gehen. Ich war dabei, und zum Erstaunen vor allem der Kolleginnen erblickte mein Brustwarzen-Piercing die Sonne des Bonner Sommers. Es muss ganz schön hin und her gegangen sein in den Köpfen, denn Tattoos und Piercings waren Ende der 90er noch weit davon entfernt, in der Hetero-Mehrheitsgesellschaft angekommen zu sein, und damit ein untrügliches Zeichen für mein „Anderssein“.

Ausgerechnet am darauf folgenden Samstag heiratete eine Kollegin, und ein paar andere Kolleginnen – so auch Anja – waren dort. Und da wurden dann getratscht! Es war mir ehrlich gesagt ein völliges Rätsel wie so viele Leute so lange auf die Idee kommen konnten, ich sei nicht schwul!

Coming-Out am zweiten Arbeitsplatz

Nach zweieinhalb Jahren musste ich beruflich weg aus Bonn, und fand einen sehr viel besseren, wenn auch etwas stressigeren Arbeitsplatz in Stuttgart, bei dem kleinen Softwareanbieter, dessen Softwareprodukte ich in Bonn eingeführt hatte. Es war ein kleines „start-up“, mit jungen, dynamischen Leuten, die gewiss keine Problem mit dem Thema haben würden. Außerdem teilte ich mein Büro mit einem Kollegen, den ich aus Studienzeiten kannte, und der bei meiner Abschiedsfeier in Trier – im LGBT*-Zentrum SchMIT-Z anwesend war. Ich war also quasi schon geoutet. Bei den restlichen Kollegen musste ich mich dann outen, als ich während der Probezeit ein paar Tage Urlaub brauchte, weil mein damaliger Partner im Sterben lag, und ich aus ihm nicht „meine Oma“ machen wollte.

In der Firma gabs keine Probleme, allerdings hatte ich häufig Kundenkontakt – hielt vor allem Schulungen, und da erinnere ich mich an ein offizielles Mittagessen mit einem Kunden, der irgend etwas Homophobes von sich gab. Aber da er nicht „mein“ Kunde war, und ich deshalb nicht regelmäßig mit ihm zu tun hatte, hab ich’s runtergeschluckt und bin drüber hinweg gegangen …

Coming-Out am dritten Arbeitsplatz

Ziemlich Hals über Kopf begann ich im Frühjahr 2000 die Arbeit bei meinem dritten Arbeitgeber, bei dem ich immer noch bin. Ich hatte die Stellenausschreibung mehr oder weniger zufällig im Internet gefunden, und dachte: „Der Job ist wie für dich gemacht! Wenn du dich darauf nicht bewirbst, wirst du es dein Leben lang bereuen!“

In meiner spontanen Bewerbung hatte ich auch einen Link auf meine damalige Webseite gesetzt, und wer sich die Seite angeschaut hatte und nicht gerade auf einem anderen Planeten zu Hause war, musste auf Grund der zahlreichen Regenbogen-, Leder- und Bären-Symbole von meiner nicht heteronormativen Existenz ausgehen. Mein Schwulsein war dann auch nie ein Thema in der Abteilung.

Ich lernte bald andere Schwule, Lesben und später auch Transgender-Kollegen und Kolleginnen kennen. Wir trafen uns ab und zu zum Mittagessen. Und so beschlossen wir, uns locker zu organisieren.

Kurz zusammengefasst: Aus einem regelmäßigen Mittagessen entstand eine interne  HTML-Seite mit Links zur lokalen Community in Rhein-Neckar, die sie innerhalb der Firma wie ein Lauffeuer verbreitete, gefolgt von einer Präsenz im Intranet. Und – als Folge – Ärger für mich (dessen Name noch jahrelang als einziger im Corporate Portal auf den LGBT*-Seiten auftauchen sollte), da sich wenige  religiös motivierte Kolleg_innen durch unsere offizielle Existenz aus ihrer Komfortzone gezerrt fühlten.

Erst Jahre später erfuhr ich von einem „Ally“ mit Zugang zur Firmenleitung, wie hoch das Thema tatsächlich geblubbert war! Bis ganz nach oben!

Es kam zu einem Gespräch mit einem Vertreter von HR, bei dem  ich – nach allen Solidaritätsbekundungen meiner LGBT*-Kolleg_innen – dann doch alleine da stand. Man wollte im Prinzip einen „Business Case“ von mir: warum es für einen Arbeitgeber gut wäre, eine LGBT*-Gruppe zu haben, zu dulden – an „unterstützen“ dachte damals noch niemand! „Nichts leichter als das!“, könnte man aus heutiger Sicht meinen. Aber 2001 gab es zu diesem Thema NICHTS.

Wir haben es trotzdem versucht, mit dem Resultat, dass wir offiziell sichtbar bleiben durften, uns aber einen neuen Namen suchen mussten.  Und damit waren wir als „HomoSAPiens“ die erste „Employee Ressource Group“ in der Firma, und die zweite LGBT*-Gruppe in der deutsche Wirtschaft – die Rainbow Group der Deutschen Bank wurde schon ein Jahr früher gegründet.

Erst Jahre später wurde „Diversity Management“ zum offiziellen Thema, und wir wurden gefragt, ob wir als offizielle Mitarbeitergruppe mitmachen wollten. Was wir gerne taten. Dieses offizielle Engagement kostete allerdings viel Energie, und es gab in dieser Zeit auch etliche Momente, wo wir uns fragten, ob unser Einsatz auch tatsächlich Vorteile und Verbesserungen für den/die einzelne LGBT*-Kolleg_in bringen würde, oder es sich nur um „Corporate Window Dressing“ mit Regenbogenwölkchen handelte.

Mit 15 Jahren Abstand kann ich heute sagen: Ja, es hat sich gelohnt! Die Firmenkultur hat sich stark zu Gunsten von mehr Offenheit verändert. Die Auszeichnung als „LGBT*-freundlichster Arbeitgeber Deutschlands“ im gerade vergangenen Jahr war nicht zufällig, und geht weit über die Erfüllung formaler Kriterien hinaus.

Irgendwann benannten wir uns auf Wunsch und weltweiten Mehrheitsbeschluss in „Pride@SAP“.  Zum zehnjährigen Bestehen im Jahr 2011 gab es eine große, offizielle „Geburtstagsparty“ mit Podiumsdiskussion, Unterhaltungsprogramm und Finger Food. Das war der Zeitpunkt, zu dem ich mich aus der ersten Reihe zurück zog. Denn zum Glück gibt es neue, junge und motivierte Kolleg_innen, die die Regenbogenfahne weiter tragen!

Coming-Out am Arbeitsplatz — Ein ewiger Eiertanz

So erfreulich entspannt die Situation am Arbeitsplatz auch heute sein mag: Das Coming Out am Arbeitsplatz endet nie: Neuer Manager. Neue Kollegen. Naive Fragen „alter“ Kollegen, die einen bisher nicht näher kannten, … Es hört nicht auf, und manchmal nervt es. Auch die Frage „Wie ist das eigentlich bei euch…?!“, die meistens nett gemeint ist, aber letztendlich meist weiter in die Privatsphäre eindringt, als einem oft lieb ist.

Ein andere Frage, die sich uns in einem internationalen Unternehmen dauernd stellt, ist, wie neue Kollegen und Kolleginnen aus anderen, meist weniger LGBT*-freundlichen Kulturen stammend, mit uns umgehen, wenn wir uns outen. Ich hatte bisher das Glück, noch nie negative Erfahrungen machen zu müssen.

Karriere?

Kann und konnte man als geouteter Schwuler Karriere machen? Da ich selbst  lieber „glücklich“ als „erfolgreich“ bin, und mir jeder berufliche Ehrgeiz schon immer abging, ist diese Frage etwas hypothetisch. Trotzdem:

Vor 20 Jahren lautete die Antwort mit Sicherheit „Nein“, wobei es bestimmt vereinzelt Ausnahmen gab. Man sprach damals von der unsichtbaren „Glasdecke“, die auch für Schwule galt: Von gewissen höheren Positionen wurde stillschweigend erwartet, dass man ein präsentables Familienleben hatte. Ein paar schwule (und lesbische?) „Alpha-Tierchen“ der frühen Jahre konnten sich selbständig machen, als Berater im Diversity-Bereich. Aber eben nur außerhalb der Hierarchien.

Heute dagegen spielt das – zumindest an meinem Arbeitsplatz – keine so große Rolle mehr. Man kann auch als Schwuler oder Lesbe ziemlich ungestört die Karriereleiter hochkraxeln, wenn man das möchte. Die unsichtbare Glasdecke ist zumindest sehr viel höher eingezogen als noch vor zehn Jahren.

Und man kann natürlich heute als Angehörige_r der LGBT*-Minderheit Karriere  in speziell geschaffenen Diversity-Positionen großer Firmen und Organisationen machen. Ohne Groll, aber der Ironie der Veränderungen wohl bewusst, denke ich: Hätte man mir 2001 gesagt, es gäbe in der Zukunft Leute, die für das bezahlt werden, wofür wir gegen zum Teil großen Widerstand kämpfen, ich hätte ihnen ins Gesicht gelacht!

Homonormativität

Last but not least: Wieviel „deviance“ wird im Firmenumfeld akzeptiert? Wann ist man noch „der nette Schwule“, und wo endet die Toleranz?

Wer mich persönlich, oder aber auch nur vermittels meines Blogs oder auf Twitter kennt, weiß: Ich bin nicht der der nette Vorzeigeschwule, brav homoverehelicht, mit Gatte, Hund und Häuschen in der Vorstadt. Ich bin seit Jahrzehnten in der Leder- und Fetisch-Szene unterwegs, es gibt wenige Abgründe, in die ich nicht zumindest einmal einen vorsichtigen Blick geworfen hätte. Und ich stehe dazu. Und da dies zu mir genau so gehört wie mein Schwulsein an sich, fällt es mir auch schwer, das immer zu verstecken, auch wenn ich diese Aspekte im Firmenumfeld nicht öffentlich mache. Ich habe da bisher keinen goldenen Weg gefunden, aber ich kann damit ganz gut leben.

Chaps

Ich weiß noch ganz genau, wo und wann ich meine erste(n) Chaps gekauft habe. Es war während des „Various Voices“-Chorfestivals in Berlin, im sonnigen Wonnemonat Mai des Jahres 2001. Ich war mit dem Chor eine ganze Woche nach Berlin gefahren, mein Göttergatte – damals kannten wir uns kaum ein halbes Jahr – musste arbeiten, und kam zum Wochenende hinterher gefahren. Und dort, bei „Mr B“, damals noch das kleine Kellergeschäft in der Nollendorfstraße, erwarb ich das gute Stück.

Ob ich damit an diesem Wochenende ausgegangen bin, weiß ich nicht mehr. Es war wenig Zeit, wegen all der Konzerte. Was ich aber noch weiß, ist, dass ich sie bei der Various-Voices-Abschlussveranstaltung auf dem Marlene-Dietrich-Platz trug: Dezent über einem Paar tiefschwarzer Levis 501. Ja, trug Mann damals noch.

In der „Szene“ trug ich sie selten – ist ja bei Chaps immer die Frage, was man drunter zieht, und wie weit man sich damit in die Öffentlichkeit traut. Und ich hatte auch nicht den Knackarsch dafür. Nicht wirklich. Nicht, wirklich? Wirklich nicht!

Dafür wurden sie bald das Standardbeinkleid zu Hause im Spielzimmer. Und sie waren jede Mark wert, die ich dafür ausgegeben hatte! Ich hatte viel Spaß in den Dingern! Es gibt auch Bilder, allerdings nur auf meiner privaten Website, denn die sind alles, nur nicht „save for work“.

Doch in den letzten zwei, drei Jahren waren die Auflösungserscheinungen unübersehbar: Die Nieten der Gürtelschnalle verabschiedeten sich, eine nach der andern. Und als dann auch noch das Leder am Beinausschnitt zu reißen begann, war klar: Es muss Ersatz besorgt werden!

Das geschah jetzt, am Silvesternachmittag, bei R&Co. Ungeplant, eigentlich, denn es bestand kein Zugzwang – das alte Ding hätte es auch noch ein Jahr getan. Aber dann doch kurzentschlossen, auch wegen der guten Beratung und dem sofortigen Kűrzen im Geschäft.

Für die alten, verschwitzten, fleckigen, ausgeleierten Chaps werde ich bestimmt jemanden finden, der noch Freunde daran hat!